Biografie Saladin Klein von Patrick Heinstein, Kunsthistoriker, Neuchâtel (CH)
Portät Saladin Klein um 1790, im Alter von 41 Jahren
Frühe Jahre:
Saladin Klein wurde als zweitältestes von fünf Kindern des gräfl. Wittgenstein-Berleburgischen Leibarztes Franz Daniel Klein (gest. 1758) und der Catharina Freifrau von Degen (gest. 1776) am 7. Mai 1749 auf Schloss Neuhemsbach bei Winnweiler geboren. Der Großvater war reformierter Pfarrer in Uffenheim bei Alzey gewesen. Die ersten Jahre seiner Kindheit verbrachte Klein in Neuhemsbach, bedingt durch des Vaters Tätigkeit als Leibarzt. Dessen früher Tod am 3. Juli 1758 veranlasste die mittellose Witwe den Sohn bei einem Onkel und später bei einem Geistlichen in Kriegsfeld (Kirchheimbolanden) in die Erziehung zu geben. Danach bildete er sich zum Arzt aus. Archivarische Unterlagen weisen ihn 1776 als „Chirurgus“ bei den kurpfälzischen Husaren zu Neustadt und als Feldscherer beim dortigen kurpfälzischen Jäger-Korps aus.
1779 verheiratete er sich zu Neustadt mit Christina Rau, die bereits bei der Geburt des ersten Kindes am 12. Juli 1780 starb. Am 13. August 1782 verehelichte er sich in zweiter Ehe mit Marie Helene Dietz. Den Ehen entsprangen 13 Kinder (sieben Söhne, sechs Töchter), darunter August Klein und Carl Friedrich Klein, geb. 1794 zu Lambrecht.
Ein Onkel Saladin Kleins mütterlicherseits, Caspar Degen aus Mannheim, war der englischen Marine als Offizier beigetreten. Als späterer Kommandant der Artillerie von Bombay kam er durch Geschäfte in Westindien zu Vermögen, welches in Teilen durch Erbgang an Saladin Klein gefallen war. Hierdurch und einen ausgesprochenen Geschäftssinn kam Klein zunächst in Neustadt seit ca. um 1785 zu bedeutendem Grundbesitz. Er war u. a. Gründungsmitglied der dort seit 1790 bestehenden Lesegesellschaft, an die er den ersten Stock seines Anwesens „Zum Carlsberg“ „vorm Neuthor“ (heutiges Gelände Käthe-Kollwitz-Gymnasium) vermietete.
Die Lambrechter Jahre (1791-1840)
Schon in den 1780er Jahren hatte Saladin Klein die südwestlich von Lambrecht im ElmsteinerTal gelegene „Sattelmühle“ erworben, ein ehemaliges Landgut der Freiherrn von Dalberg. Die guten Geschäfte mit dem Mahlbetrieb motivierten zu einer Ausdehnung seiner Geschäftstätigkeit in der Region. So erwarb er am 15. März 1791 die am Zusammenstoß der Herrschaftsgebiete Kurpfalz, Hochstift Speyer und Hirschhorn gelegene „Dreiherrenmühle“ (Dreiherrnschmiede) in Lambrecht-Grevenhausen, zu beiden Seiten der Hauptstraße am Speyerbach gelegen, die er, wie auch die Sattelmühle, sukzessive zum Kupferhammer und Sägewerk ausbaute. Am 21.3. jenes Jahres 1791 schrieb sich Klein in die Bürgerliste von Lambrecht ein (seinerzeit eine Ansiedlung von rund 1000 Bewohnern und 170 Häusern) und verkaufte schließlich 1792 sein Haus „Zum Carlsberg“ in Neustadt. Während der kommenden 50 Jahre widmete er sich fortan, d. h. in Lambrecht und Umgebung ganz seinen vielfältigen Geschäften. Diese waren international ausgerichtet: das Erz für seinen Kupferhammer bezog er aus Schweden und Westindien.
Klein expandierte eindrücklich: So übernahm er von Kaspar Lanz die „Obermühle“ (Mühlstraße 2) und war Besitzer der „Mühle an der Kreuzbrücke“ vor Frankeneck geworden. Die Geschäfte florierten, wovon nicht nur der von ihm vorgenommen prächtige Umbau nebst Glockentürmchen und kurpfälzischem Wappen der „Sattelmühle“ noch heute zeugen, sondern auch die von ihm eingeleiteten, umfänglichen Baumaßnahmen am Komplex Kupferhammer, wo bis 1815 mehrere Wohnhäuser entstanden. Ein Wappenstein im Portal trät seine Initialen „S K “
Saladin Kleins bedeutendes Vermögen weckte in Zeiten welthistorischer Umbrüche Begehrlichkeiten: Während der Koalitionskriege wurden er und drei weitere Bürger Lambrechts im Jahre 1794 als Geisel der Franzosen in Gefangenschaft nach Edenkoben verbracht. Klein gelang es sich und seine Leidgenossen durch Bereitstellung einer bedeutenden Summe Lösegelds aus seinem Privatvermögen freizukaufen und Lambrecht damit vor der angedrohten Brandschatzung zu bewahren. Dessen ungeachtet wurde während der folgenden Unruhen u. a. Kleins Kupferhammer von den Franzosen ausgeraubt und nacheinander dort, als dem repräsentativsten Gebäude der Gegend, nacheinander preußische und französische Generalität einquartiert. Sein hier vorgestelltes Bildnis hat die Katastrophe jener Zeitläufte auf wundersame Weise überstanden…
In napoleonischer Zeit trachtete Klein danach, die als „Lehen Erfenstein“ von den Leiningem an die Freiherrn v. Dalberg gekommenen Waldungen im Esthaler Wald ganz in seinen Besitz zu bringen. Er schickte seinen Schwiegersohn Johann Ludwig Wolf (später Weingut Bürklin-Wolf) aus Wachenheim zur Auktion nach Mainz, der die Hälfte der Waldungen auf eigenen Namen erstehen konnte, die er den Wolf-Bürklinschen Besitzungen einverleibte, zu denen sie bis 1933 gehörten.
Auch gründete Saladin Klein auf eigene Kosten eine Dorfschule und verstand es, die örtliche Bevölkerung an seinem Reichtum teilhaben zu lassen, was ihm das historisch einzigartige Prädikat eines „Wohltäters des Lambrechter Tals“ einbrachte. Sein diesbezüglicher Ruf gründete auf seinem sozialen Engagement im katastrophalen Hungerjahr 1817, das eine inflationäre Teuerung der Lebensmittelpreise mit sich brachte. Die neuere Fachliteratur urteilt wie folgt:
„Der Arzt und Chirurgus Saladin Klein (1749-1840) pflegte die ärmere Bevölkerung (…) Lambrechts aus freien Stücken unentgeltlich zu behandeln und sie zudem mit Heilmitteln zu versehen, so dass ihnen die Arznei-Kosten in der Apotheke erspart blieben. Er gilt in dieser Gegend bis heute als der Prototyp des sozial engagierten Arztes“ (zit. nach Weidmann,Werner: Schul-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Pfalz, 1999, S. 45).
Die Zeitläufe gingen an den Betrieben Kleins jedoch nicht spurlos vorüber: In Zusammenhang mit der Rohstoffverknappung während der Kontinentalsperre (1806-14) erfolgte die Aufgabe des Kupferhammers in der Sattelmühle und stattdessen die Einrichtung einer Gerberei. Das verbliebene, offenbar bedeutende Familienvermögen und die laufenden Einkünfte sicherten indessen mehr als hinreichend die Existenz.
Nach fast 30 Jahre währender, glücklicher Ehe verstarb am 18. September 1811 seine Gattin Helene auf der zum Familienbesitz gehörenden Sattelmühle im Elmsteiner Tal und fand auf dem Lambrechter Friedhof ihre letzte Ruhe.
Unbeirrt von diesen Schicksalsschlägen zeigte der mittlerweile betagte Unternehmer auch weiterhin große Neigung für das literarische Fach: so ist er als einer der wenigen Pfälzer auf der originalen Subskribenten-Liste von Goethes Werken in 20 Bänden (erschienen bei Cotta in Stuttgart 1819/20) vertreten. Dort heißt es auf der gedruckten Bestell-Liste in Bd. 20 und schon seinerzeit für jeden interessierten Literaten im deutschsprachigen Raum und darüber hinaus nachlesbar: „ St. Lambrecht bey Neustadt an der Haardt. Saladin Klein, Handelsmann“
Saladin Klein starb am 24. 8. 1840*1) im Alter von 91 Jahren zu Neustadt, wo er sich während der letzten Wochen seines Lebens krankheitsbedingt aufgehalten hatte. Bis zuletzt verfügte er über einen überaus wachen Geist, nahm am öffentlichen Leben teil und verfasste noch ein Gedicht, das in seinen Nachruf aufgenommen werden sollte. Sein Tod wurde allgemein betrauert, öffentliche Blätter ehrten ihn und die umliegende Bevölkerung fand sich überaus zahlreich zu seinem Begräbnis ein. Er wünschte sich die Bestattung in Lambrecht an der Seite seiner fast 30 Jahre zuvor verstorbenen Gattin. Der Sarg wurde auf dem Weg von Neustadt zum Lambrechter Friedhof von vier Schimmeln gezogen. Zu den Menschen aus seiner Heimatgemeinde strömten die Bewohner Neustadts, Winzingens, Musbachs, Haardts, Gimmeldingens, Lindenbergs, Frankenecks, Esthals und Neidenfels”. Dekan Wilhelmi aus Neustadt hielt die dem Druck übergebene Trauerrede. Er gedachte der herausragenden Verdienste des Verstorbenen, der sich durch seine Taten ein ewiges Denkmal bei den Bürgern der Region gesetzt habe:
„Dank Dir, innigster Dank von Deinen Mitbürgern, bei denen du dir ein Denkmal gesetzt hast, das glänzender und dauernder ist als jene von Marmor und Erz, das eingegraben ist in ihre Herzen zu ewigem Andenken! Denn in jener stürmischen Revolutionszeit gingst du als Geisel zu grausamen Feinden und durch deine Geistesgegenwart, durch deinen Muth, durch dein kräftiges Wort, gelang es dir, nicht nur sie zu retten, sondern auch deiner lieben Gemeinde eine große Summe zu ersparen, die als Brandschatzung angesetzt war! Deine Mitbürger empfingen dich als ihren Schutzgeist, als ihren Engel, als ihren Vater! Dank dir vorzüglich, Vollendeter! Innig, tiefgefühlter Dank dir von den vielen Armen und Unglücklichen, die du einst in einer schweren Not und harten Bedrängnis gerettet hast! Damals in dem verhängnisvollen Jahre der Theuerung und des Mangels 1817 setztest du dir ein Denkmal in die Herzen der leidenden Menschheit, das keine Zeit zu vertilgen vermag: du öffnetest mit hoher Uneigennützigkeit, wie selten bei den Reichen dieser Erde gefunden wird, deine Vorathskammern: Du sättigtest an vollen Tafeln die Hungrigen und Elenden, und wurdest ihr Versorger, ihr Vater, so daß du in einem öffentlichen Blatte rühmlich erwähnt und mit Recht genannt wurdest: Der Wohlthäter des Thales!
Dank dir, innigster Dank von den vielen armen Kranken, denen Du, trotz deiner vielen Geschäfte und häuslichen Sorgen, nicht nur Arzt warst, sondern ihnen auch aus freier Bewegung deines edlen Herzens unentgeldlich die Heilmittel darreichtest.“
Nachkommen
Der Verstorbene hinterließ seinen Söhnen ein bedeutendes Vermögen; sie führten die in Lambrecht gelegenen Gewerbebetriebe in modifizierter Form fort, so in Gestalt eines Sägewerks.
An den Sohn Friedrich Wilhelm Klein, auch als Gutsbesitzer in Wachenheim nachweisbar, ging das Anwesen „Kupferhammer“, heute als Denkmalzone „Kupferhammer, ehem. Dreiherrenschmiede“ unter Schutz gestellt (Kreisverwaltung Bad Dürkheim als Untere Denkmalbehörde). An einen weiteren Sohn, Jacob Klein, verheiratet mit einer geb. Oehlert, ging die Sattelmühle, die später an einen Grafen d‘Arlon aus Paris veräußert wurde. Alle vier Brüder Klein traten im übrigen als Unterzeichner des Aufrufs zum berühmten Marsch auf das Hambacher Schloss von 1832 hervor.
Nachfolger auf dem Kupferhammer wurde Friedrich Wilhelm Kleins Sohn Saladin Jacob Klein, der wie so viele der männlichen Nachkommen den orientalischen Vornamen des Großvaters erhalten hatte. Dieser 1815 in Wachenheim geborene Enkel des alten Kleins hatte vor der Übernahme des Anwesens zunächst in Erlangen, dann seit 30. Juni 1835 in Heidelberg Jura studiert (Toepke, Matrikel der Univ. Heidelberg, Bd. V, S. 551, Vater: „Gutsbesitzer Wachenheim“). Verheiratet war er mit der Tochter des Müllenmeisters und Bürgermeisteradjunkten von Hardenburg bei Dürkheim, Lisette Bereth. Ein Bild im Stadtmuseum Neustadt aus den späten 1840er Jahren zeigt ihn während einer Jagdszene zusammen mit dem Papierfabrikarıten Jakob Gößler aus Frankeneck und dem Weingutsbesitzer Karl Louis aus Neustadt.
Ein weiterer Enkel des Dargestellten, Karl Saladin Klein, betrieb in den 1830er Jahren zu Neustadt das bekannte Gasthaus „Zum Karpfen“ und war vor Ort zudem als Bierbrauer bekannt. Der 1804 geborene Enkel Johann Heinrich Klein wiederum übernahm 1860 die alte Mühle auf der Helmbach unweit der Sattelmühle, veräußerte sie bald wieder und kam in Neustadt mit einem Holzhandel zu Vermögen. Dessen Sohn Ludwig Heinrich Theobald Klein war um 1900 durch geschickte Spekulationen reich geworden und war in Neustadt nur unter dem Namen „Millionen-Klein“ bekannt. Er starb dort 1916. Bis heute finden sich in der Pfalz Nachkommen Saladin Kleins.
Quellen u. Literatur (Auswahl): Trauerrede gehalten den 27. August 1840 in der Kirche zu St. Lambrecht nach der Beerdigung des Herrn Saladin Klein von Herrn Wilhelmi, Stadtpfarrer zu Neustadt an der Haardt. Neustadt 1840, Exemplar im Stadtarchiv Neustadt); „Saladin Klein. Ein Wohltäter des Lambrechter Tales“, in: „Pfälzer Feierowend“ (Wochenendbeilage zur Rheinpfalz), 13, 1961, Nr. 16, S. 7; Collofong, Ernst: Vom Werden der Stadt Lambrecht, 1977, S. 17-23; Weidmann, Werner: Schul-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Pfalz, 1999, S. 45.
Porträt des Saladin Klein mit 71 Jahren
Öl/Leinwand, rückseitig signiert: Joh.: Schlesinger plnx. 1819
Bild wurde gemalt von Johann Jakob Schlesinger 1792 Worms – 1855 Berlin, bekannter Pfälzer, mit Ausbildung an den Universitäten Heidelberg, Mannheim und München, ab 1822Professor und Generalrestaurator an den königl. Museen Berlin.
*1) Im Originalmanuskript steht als Sterbedatum der 26.8.1840. Bei meinen Recherchen bin ich auf das Neustadter Wochenblatt gestoßen, dort ist das Sterbedatum der 24.8.1840. Dieses Datum ist plausibler zum Datum der Beerdigung am 27.8.1840. (Harald König)