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23.03.2014  
  Rede zum 20-jährigen Jubiläumsfest, Karlheinz Himmler

     
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Dies hier, meine Damen und Herren, war noch bis lang nach dem Krieg ein Schandfleck letzter Güte gewesen.

Ein ausgeschlachtetes, mit Abfällen aufgefülltes unübersehbares Dreckloch neben einer verwahrlosten Sozialbaracke am damaligen Rande der geschlossenen Ortsbebauung, aber auch neben der Zufahrt zur Turn- und Festhalle und zu den Anlagen der Schützengesellschaft.

Das Grundstück gehört der Stadt. Beschämend.

Als 1972 die Straße kanalisiert, ausgebaut und asphaltiert wurde, ist es eingeebnet, in seiner Verwahrlosung sich selbst überlassen worden.

Dem zum Stinkbrunnen und Dreckloch verkommenen Sauerbrunnen trauert niemand nach.
Niemand? Von wegen!

Für uns vom Förderverein Sauerbrunnen – Denkmalpflege ist das bei der Feier seines 20-jährigen Bestehens Anlass zur Würdigung des Werks derer, die es zustande gebracht haben.

Das meiste davon war in der vergangenen Woche dankenswerter Weise schon in den beiden Zeitungen vorberichtet. Ich versuch’ trotzdem, mit meinem eigenen Rück – und Ausblick Ihr Interesse zu finden.

Der Anlass beginnt für mich Mitte Mai 1990 am Gradschankbrunnen. Der Verkehrsverein hatte dessen hundert Jahre löcherig gewordenen Trog ausgetauscht und feierte das mit einem Brunnenfest.

Unter den Festbesuchern war auch Emil Speiger, der direkte Nachbar des versunkenen Sauerbrunnens. Um den sei es schade,  dächten viele im Beerental, erzählte er mir und fragte mich, wie mit ihrer  aktiven Hilfe auch ihr Brunnen wieder hergestellt werden könnte.

Schon 9 Wochen nach unserem Gespräch legte Speiger am 17. Juli 1990  der Stadtbürgermeisterin und Verkehrsvereinvorsitzenden Erna Merkel eine Liste mit 128 Unterschriften vor. Darin verpflichteten sich geschätzte rund 200 Wählerstimmen zur umfangreichen Mithilfe bei den Ausgrabungs- und Wiederherrichtungsarbeiten.  Als ersten Schritt wollte sie mit einer Probegrabung nachweisen, dass der Brunnen nicht unter dem Fahrbahnbereich  der Straße liegt, sondern nur ein kleines Stück unter dem Trottoir.
Damit hatte es sich. Zunächst. Gut Ding will Weile haben.

Denn die Stadt verfolgte mit dem Grundstück andere Absichten. Am Standort der abgerissenen Baracke und  des Sauerbrunnens sollte ein Wohnblock mit sozial gebundenen Wohnungen entstehen. In die Pläne des Bauherrn GESIWO war der zugedeckte Brunnen gar nicht mehr vorhanden.

Ende August 1993, das Schnürgerüst war schon gezogen, legte der Baggerführer auf Bitte der Stadt am Straßenrand seine Begrenzung frei und grub sich in die Tiefe. Es zeigte sich, dass die Ostmauer der Brunnenkammer etwa 60 cm breit vom Bürgersteig überdeckt war.
Die Nachbarn waren jetzt hellwach – und die Stadtbürgermeisterin in Urlaub. Deshalb wurde erstmals Michael Stöhr aktiv. Er war inzwischen städtischer Beigeordneter und berief den Bauausschuss ein. Der war in seiner Meinung gespalten.

Als aber am 4. September 1993 der Nachbar Herbert Glass an der Südwand der matschigen Grube in 3,5 m Tiefe am Brunnenstock die Inschrift „HeilQuelle“ freigerubbelt und das Bauausschussmitglied Bodo Boese die Inschrift „Errichtet 1600“ freigewaschen hatten, erhielt des Projekt eine ungeahnte Eigendynamik. Aber höchste Eile war geboten. Denn schon hatte die Firma Stoller mit den Erdarbeiten für den neuen Wohnblock begonnen.

Die Medien berichteten engagiert über den Fund, sensibilisierten damit die Bevölkerung und der Architekt Dip.-Ing. Heinrich Jost beantragte für das Bauwerk Denkmalschutz.

Der Standort des Wohnblocks wurde um 2 m verschoben, die Arbeit daran vorerst unterbrochen.
Schon am 8. September 1993 wurde der vorläufige Denkmalschutz verordnet. Dass eine von den Stadtwerken eingeholte Analyse dem Brunnenwasser jegliche Heilwirkung absprach, hatte keine negative Wirkung auf den weiteren Verlauf der Dinge.
Am 7. April 1994 wurde der endgültige Denkmalschutz verfügt, dem Bauwerk der Rang eines Bau- und Kulturdenkmals zugesprochen.

Aus dem Text der wissenschaftlichen Ausarbeitung einige Auszüge: Der rechtwinkelig abknickende obere Treppenlauf möglicherweise erst nachträglich bei Erhöhung der Anlage angefügt. An der Stirnwand der Quellausfluss, gefasst durch einen Steinblock mit Bogenöffnung und anschließendem Wasserbecken, bekrönt durch eine Ädikula mit der Inschrift „Errichtet 1600/Renovirt im Jahr 1837/ Ortsvorstände Daniel Matill/Bürgermeister/ Jacob Wagner/Adjungt.

Dazu eine Anmerkung meinerseits: der Brunnen liegt an der einstigen Grenze von St. Lambrecht und Grevenhausen neben einem Waldweg. Die beiden Gemeinden sind 1839 zu St. Lambrecht-Grevenhausen verschmolzen worden. 1836 war hoch über dem Brunnen der Steinbruch in Betrieb gegangen.

Weiter im Text: Im Giebel darüber: Heilquelle. Im oberen Bereich der Wand Inschriftplatte, bezeichnet 1921.
Dazu Anmerkung: In jener Zeit wurde das Lambrechter Beerental neu gestaltet: 1920/21 wurde das einstige Schützenhaus an der vorherigen Schützenmauer veräußert und taleinwärts 1924 eine neue Schießanlage gebaut. Räumlich und zeitlich dazwischen schufen sich die Freien Turner ab 1922 mit ihrem Turnplatz, einem Denkmal, dem Serbenhaus und der Turnhalle ihr Domizil. 1921 – 24 entstanden die Doppelhäuser unterhalb des Sauerbrunnens.

Bis hierher war alles das Ergebnis einer Bürger-Initiative. Aber die Restaurierung kostete auch Geld. Geld, das die Stadt nicht beisteuern konnte. Oder wollte. Zum Quittieren von steuerlich absetzbaren Spenden muss der Empfänger gemeinnützig sein. Diese Voraussetzung ist bei Verkehrsvereinen nicht gegeben. Also brauchte man als Rechtsform einen zweckgebundenen Förderverein.

Dazu fand am 24. März 1994 auf gemeinsame Einladung der Stadtbürgermeisterin und des Verkehrsvereinsvorsitzenden Gerald Lehmann im Tennisheim die Gründungsversammlung statt. Dazu waren 19 Personen erschienen, von denen sich 18 sofort als Mitglieder einschrieben. Der Steuerberater Josef Roth hatte einen Satzungsentwurf vorbereitet. Der Vereinszweck blieb darin nicht auf das Objekt Sauerbrunnen begrenzt, sondern allgemein auf Denkmalpflege ausgeweitet. Die Maxime der Einberufenen: Keine Politik in der Vereinsführung.

Als Ergebnis geheimer Wahlen wurden für die Dauer von 2 Jahren einstimmig in den Vorstand berufen:
Ich selbst als Vorsitzender und Heinrich Jost als mein Stellvertreter. In der Praxis war er als honorarfreier Architekt für fast alles Baufachliche zuständig.

Er machte die Planung, wobei er dabei abweichend von der Urform die Brunnenkammer mit einer Brüstung, Gitterzaun und einer Überdachung versah, um die Anlage vor Missbrauch und Witterung zu schützen, er ebnete die Wege und hielt engen Kontakt zur Denkmalpflege, vermittelte die Handwerker und übte überwachend die Bauaufsicht aus, er veranschlagte das Bauvolumen mit 182000 Mark – er selbst machte alles „for umme“.

Die Kassenführung übernahm Michael Stöhr. Er übt inzwischen als einziger der geschäftsführenden Vorstandschaft von damals sein Amt auch heute noch aus. Als Kassenwart des Vereins wickelten er und der Schriftführer Wilhelm Ohler die umfangreichen behördlichen Angelegenheiten ab.

Willi Ohler war seinerzeit Leiter des Ordnungsamtes der Verbandsgemeinde – heute ist er Aktivist in der Senioren - AG, die sich dankenswerter Weise um die ortsnahen Wanderwege kümmert.

Wer immer damals die Zusammensetzung der geschäftsführenden Vorstandschaft vorbereitet hatte – sie hatten sich etwas dabei gedacht. Ich selbst spielte da noch keine Rolle.

Als Michael Stöhr im Stadthaus die Nachfolge Erna Merkels angetreten hatte, vermittelte er fortan als Vereinskassenwart mit der Kraft seines politischen Amtes potente Sponsoren.

Die wesentlichsten sind im Eingangsbereich der Brunnenkammer benannt und verewigt.

Im Beirat des Fördervereins fanden weit überwiegend Leute der Praxis für die umfangreichen Arbeitsdienste zusammen.

Da sind vor allem die gelernten Maurer Jakob Lauer, als verlängerter Arm des Architekten, und Dieter Braun zu nennen.

Vor allem aber dessen Mutter Erika, die als unmittelbare Brunnennachbarin treibende Kraft und gewissermaßen als Mutter der Kompanie die Arbeitsdienste organisierte und die Leute von der Baustelle bei Laune hielt.

Weitere Beisitzer, Beisitzerinnen waren Emil Speiger, Bodo Boese, Helma Siebrandt, Dieter Schmitt und Herbert Staiger.

Wir alle tagten vereinsoffen jeden ersten Mittwoch im Monat.

Sehr schnell stießen – teilweise von Erika Braun und Jakob Lauer rekrutiert, weitere Helfer dazu. Beispielsweise Alfons und Joachim Roth aus Esthal, Walter Mechnig, Rudi Frey, Herbert Glass, Gregor Ohler, Wilfried Engel, Heiner Speiger und Sepp Braun.

Die zur Komplettierung der Mauern benötigten Werksteine stammen zum großen Teil aus dem Abriss aus einem Rückgebäude des Pfälzer Hofs und von einer abgetragenen Mauer beim Kesselhaus der ehemaligen Tuchfabrik F. & L. Haas. Die unsere neuen, geschnittenen Treppenaufgang krönenden Kugeln stammen ebenfalls von dort; wir haben sie auf Drängen von Erika Braun dem zwischenzeitlichen Chef der Nachfolgefirma regelrecht als Spende abgeluchst.

Das wäre eine eigene Geschichte! Nur soviel: jede Kugel samt ihrem Postament wiegt – kurzer Schwenk in die Schleichwerbung! Die Lösung hat Gerald Lehmann in der neuesten Ausgabe seiner Lambrechter Heimatheft festgehalten: 66 Seiten mit Text, Bild und DVD von 30bestehenden und nicht mehr bestehenden Brunnen und 17 Quellen zum Preis von 4€ erhältlich im Rathaus – Jede Kugel wiegt 187,5 kg. Genau das war 1995 auf einem früheren Brunnenfest zu schätzen.

Der Verkehrsverein war nicht nur von Anfang an Geburtshelfer, sondern dann bis heute Pate des Fördervereins zugleich.

Nur dass, was im gleichnamigen Film der Hauptdarsteller Marlon Brando als Bösewicht darstellte, der Verkehrsvereinsvorsitzende Gerald Lehman beim Zögling Sauerbrunnen als Gutmensch bewirkt hat. Unter anderem überließ er uns für unsere Festlichkeiten nicht nur kostenlos das Zelt und Mobiliar, sondern leistete stets auch selbst aktive Hilfe. Nicht zuletzt führte der von ihm geleitete Verein den Reinerlös aus zwei eigenen Brunnenfesten an uns als Anschubhilfe ab.

Am 23. Juni 1994 ist mit dem Roten Punkt die Baugenehmigung erteil worden. Jetzt ging’s erst richtig los. Aber bis zum Jahresende war schon ein Bauvolumen von 71000 Mark abgewickelt.

Nicht alles konnte mit Arbeitsdiensten geschaffen werden. Aber auch die beauftragten Handwerker erbrachten durch Nachlässe, Überlassung von Maschinen oder Verzicht  viele Leistungen umsonst oder zu Billigpreisen. So die Steinmetze Alfons und Joachim Roth, die Schlosser Heinz und Fredy Lendle, der Statiker und Zimmerer Pieperz, der Malerbetrieb Annweiler-Lidy.

In die Reihe der privaten Spender brachten sich die Nachkommen des Tuchfabrikanten Sauerbrunnen in Person unseres Mitglieds Heike Ketzer, geborene Jansen, ein. Von ihnen stammt auch der die Anlage begrenzende und von Alfons Roth umgestaltete Findling.

Am 16. Mai 1996 – an Christi Himmelfahrt – wurde die Fertigstellung gefeiert.

Vier Jahre später war nicht nur alles bezahlt, sondern auch ein finanzielles Polster für spätere Instandsetzungsmaßnahmen auf der hohen Kante, die Mitgliederzahl des Fördervereins auf 70 angewachsen, der Brunnen der Stadt in ihre Obhut zurückgegeben.

Ausgelöst durch nachbarschaftliches Durchsetzungsvermögen ist ein Schmuckstück wieder erstanden, das den älteren Baubestand mit den Nachkriegsbauten, die Alteingesessenen mit den Zugezogenen harmonisch verbindet und den Stadtteil aufwertet.

Der Hauptzweck des Vereins war damit erfüllt.

Doch auflösen wollte man ihn nicht. Es blieb ihm als Aufgabe ja noch die allgemeine Denkmalpflege. Insoweit sah und sieht er sich auch in der Tradition der Rückbesinnung auf alte Werte, die um das Jahr 1977 mit der Tausendjahrfeier Lambrechts geweckt worden war.

Nicht unwahrscheinlich, dass Michael Stöhr durch seine Doppelrolle als Stadtbürgermeister und Vereinskassenwart die Sensibilität und den Mut zur Restaurierung des Zunfthauses und Umnutzung als Rathaus gefunden hat.

Für den Verein wäre das Millionenprojekt etliche Nummern zu groß gewesen.

Das gilt auch für weitere angedachte Projekte gegeben – wieder ein drehendes Wasserrad an der Mühlstraße im Blickfeld des künftigen Bach-Auen-Rundwegs? Der ehemalige Postturm vielleicht oder gar das Zunfthaus?

Zum Rathaus haben aber auch wir unseren kleinen Teil beigetragen, haben es mit kleinen Festen und einer von Karl Unterfenger zusammengestellten 10-tägigen Bilderausstellung aktiv begleitet und damit die Umbaumaßnahme ins Bewusstsein der Bevölkerung gerückt.

Aber es bleiben uns ja noch die Grenzsteine – die Markierung der Außengrenzen und der bis 1551, 1805 und 1821 geltenden Binnengrenzen im Wald zu entdecken und zu deuten. Das erwies sich schon bald als eine Art steinerner Geschichtsschreibung, die in der Chronik vernachlässigt ist.

Um die entsprechenden ehemaligen Grenzverläufe wurden – dank der Mithilfe des in Gimmeldingen wohnenden Ur-Lambrechters Ernst Kimmel alle ebenso wieder gefunden wie dank dem Spürsinn von Klaus Liebrich am Kaisergarten und vor dem Stoppelkopf die Spuren von zwei Pferchen fürs Weidevieh.

Vorrangig Herbert Glass und Rudi Frey haben die meisten Tränkbrunnen im Umkreis der stadt wieder gangbar gemacht.

Innerstädtisch hat der Verein die Beschilderung von 20 Häusern mit besonderer Bedeutung ausgearbeitet und den daraus abgeleiteten ersten Stadtführer als 12 Seiten starkes schmalformatiges Heft entwickelt und finanziert.

Das sind nur wenige Beispiele unseres Wirkens und Mitwirkens. So hat der Verein auch dank der Begleitung der Presse bei vielen Mitbürgern Akzeptanz und Mithilfe gefunden, Impulse gegeben und übernommen, und so zur weiteren Erhellung der Ortsgeschichte beigetragen.

Dem gleichen Zweck dienten auch die jährlichen vereinsoffenen informativen Glühweinwanderungen und Vereinsausflüge.
Dass es immer noch Altes zu entdecken, zu deuten und mitzuteilen gibt, hat sich erst kürzlich durch den Fund des Schillersteins wieder gezeigt.

Der Sauerbrunnen ist in seinen erhalten gebliebenen Teilen nicht nur der älteste Profanbau der Stadt, er ist in seiner jetzigen Form auch Symbol für konstruktiven Bürgerwillen.

Ihm wünsche ich weitere 414 Jahre Bestand. Mindestens.

Dem Förderverein Sauerbrunnen ist an seinem 20. Geburtstag zu wünschen, dass er im Rahmen seiner Möglichkeiten noch lange zum Wohl unserer Heimatstadt wirken möge.

 

von Karlheinz Himmler